Rommé und Rotwein

Ein Reisebericht
von Jutta Ebersberg
Broschiert 108 Seiten
ISBN: 978-3844803266

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Rommé und Rotwein | von Jutta Ebersberg

Kurzbeschreibung:

Ein Retro-Ausflug: Zwei junge Frauen machen sich 1979 mit einem umgebauten VW-Bus auf in den Süden. Sie sind vier Wochen unterwegs in Griechenland, mit einem Abstecher in die Türkei. Jahre später wird der VW-Bus nach Italien gesteuert, zu einem vierzehntägigen Toskana-Urlaub.

Das Reisetagebuch gibt heitere Einblicke in das persönliche Erleben, Natur, Kunst und Geschichte.

Blick ins Buch:

Griechenland

Herzlich willkommen zu einer Reise in ein anderes Land und, wenn man so will, in eine andere Zeit – April 1979 -, eine Zeit, in der wir noch nichts vom Euro wussten, sondern im eigenen Land mit der D-Mark bezahlten und jenseits der Grenze in die entsprechende Währung umrechneten, in diesem Fall die griechische Drachme. Fotografiert wurde noch mit einer Kamera, in die man Filme einlegen musste, die man nach der Reise im Fotogeschäft abgab und Tage später Farbabzüge abholte. Es war jedes Mal der gleiche Ablauf: der Händler fragte: „Wollen Sie die Bilder vorher kurz ansehen?“, ich antwortete: „Nein, sie werden schon recht geworden sein!“ und lief eilig nach Hause, um zu sehen, ob es tatsächlich so war.

Das Wort „Navigationssystem“ existierte noch nicht, ich konnte auch keine Route aus dem Internet ausdrucken, sondern meldete mich beim ADAC und empfing ein Tourenpaket, verbunden mit guten Wünschen für die Reise. Zu Hause setzte ich mich hin, studierte Landkarten, las im Reiseführer, besprach mich mit Bekannten, die schon einmal ähnliche Pläne hatten und legte dann eine grobe Route fest, bereit, mich von der Wirklichkeit korrigieren zu lassen.

Ich möchte damit weder eine „gute alte Zeit“ beschwören, noch die Errungenschaften moderner Technik in ein fragwürdiges Licht setzen – ich möchte Sie nur davor warnen, das Gelesene eins zu eins umsetzen zu wollen und dann erfahren zu müssen, dass inzwischen einige Jahre ins Land gegangen sind, und manches in einem anderen „Glanz“ (?) erstrahlt. Mir ging es bereits zwei Jahre nach der ersten Reise so, dass ich an manchen Orten bedauerte, sie nicht mehr so unberührt wiederfinden zu können, wie ich sie in Erinnerung hatte!

Mit wem sind Sie unterwegs? Mit zwei jungen Krankenschwestern, Anfang zwanzig, die gerade ihr Examen hinter sich gebracht haben und mit ihrem Arbeitgeber gegen jede Regel vereinbart haben, ihren Dienstvertrag mit einem vierwöchigen Urlaub zu beginnen!

Wochenende 31.3./1.4.

Am Wochenende kauften Claudia und ich den nötigen Proviant und begannen mit der Packerei. Es ist unglaublich, was man für vier Wochen alles braucht, dabei ist ja noch nicht einmal heraus, ob wir das alles wirklich brauchen, denn wir haben ja keine Ahnung, was an klimatischen Verhältnissen auf uns zukommt.

Als ich zu Hause – in Bühl, dem Ort, der für seine Zwetschgen bekannt ist -, den VW-Bus abholte, erklärte mir mein Bruder, dass wir auf keinen Fall in Taschen packen sollten – Taschen sind die reine Verschwendung, was den Platz anbelangt! Er muss es wissen, er hat dieses Auto eingerichtet. Dieser VW-Bus ist ein echtes „Unikat“: serienmäßig sind nur der Fahrer- und der Beifahrersitz, der Rest ist liebevolle Handarbeit: maßgezimmerte Schränkchen, eine „Kochkiste“ – darin wird natürlich nicht gekocht, sondern sie hat die Maße für eine Kühltasche und zusätzliches Kochgeschirr, für einen kleinen Gaskocher und Kartuschen – und eine große Ablagefläche, die abends mit einigem Aufwand zum Schlaflager umfunktioniert wird. Meine Mutter hat dunkelrote Vorhängchen genäht für die Fenster ringsum, mit einer zusätzlichen flexiblen Vorhangstange, die die Schlafecke auch nach vorne schützt. Mit dem gleichen Stoff – er hat ein leichtes Karo, das ihn heiter erscheinen lässt – hat sie dünne Schaumstoffauflagen bezogen, die zwar nicht gerade den Komfort einer rückengerechten Matratze bieten, aber auch keinen unnötigen Platz beanspruchen.

Hinter dem Beifahrersitz hält ein Riemen den Campingtisch und zwei Klappstühle fest – alles genau durchdacht und bemessen.
Versorgt mit guten Wünschen und Ratschlägen – „Fahrt vorsichtig!“ – fuhr ich zurück nach Karlsruhe, und Claudia und ich packten um, denn wir hatten natürlich tatsächlich alles in Taschen verstaut. Aber: wo mein Bruder recht hat, da hat er recht: ohne Taschen ließ sich alles viel leichter unterbringen, und kleine Nischen konnten besser genutzt werden.
Dieser orangerote VW-Bus sollte also für die nächsten vier Wochen unser mobiles zu Hause sein.

Montag, 2.4.

Angeblich hat ja „Morgenstund Gold im Mund“, und so waren Claudia und ich um 5.30 Uhr bei unserer zukünftigen Stationsschwester zum Frühstück eingeladen. Es ist ein schöner Urlaubsbeginn, wenn man sich an einen liebevoll gedeckten Frühstückstisch setzen kann, und wir selbst hätten um diese Uhrzeit mit Sicherheit keinen solchen Aufwand betrieben – schon alleine wegen des anschließenden Abwasches! Es hätte vermutlich einen schnellen Kaffee gegeben, mit der Hoffnung auf eine baldige Rast. Um 6.30 Uhr starteten wir dann mit unserem Bus, den Sr. Irma spontan „Traugott“ nannte – also gut, nun hatte unser Gefährt sogar einen Namen!

Es ist ein herrliches Fahrgefühl: man sitzt relativ „erhaben“ und hat eine ganz andere Sicht. Sehr gewöhnungsbedürftig für uns war, dass Traugott am Berg seine große Schwäche zeigte, und auf der A8 hatte er dazu reichlich Möglichkeiten! Er zieht einfach nicht richtig, und damit fällt man nicht nur unangenehm auf, sondern auch reichlich zurück. Wir entwickelten mit der Zeit ein gewisses Verständnis für LKW-Fahrer und ihre mühsamen Überholmanöver.

Alle zwei Stunden machten wir eine kleine Pause, Claudia turnte, ich sprang Seil, und ab und zu aßen wir etwas. In Bayern sahen wir dann den ersten Schnee. Wir waren echt überrascht: die Wiesen entlang der Straße waren z.T. dick verschneit – so viel zum Thema „klimatische Verhältnisse“! Schließlich kamen die Berge in Sicht, und von nun an hatten wir ein ungeheuer beeindruckendes Panorama um uns: schneebedeckt und von der Sonne beschienen!

Gegen 13.00 Uhr fuhren wir über die österreichische Grenze, und schlagartig waren die Straßen absolut frei, nur ab und zu ein Auto. Wir kamen insgesamt durch sieben Tunnel und konnten auch die einzelnen Bauabschnitte der Tauernautobahn verfolgen (F12-L34). Teilweise war die Straße so erbärmlich, dass am Rand ein Schild stand: „Wir bitten um Verständnis!“ – kein Problem: wenn überhaupt jemand Verständnis hat, dann wir beide in unserer ungetrübten Urlaubslaune.

Da wir zeitlich besser dran waren, als wir erwartetet hatten, überlegten wir, ob wir abends noch nach Jugoslawien fahren sollten, fanden aber in unserem Campingführer keinen Platz, der schon offen hatte, also entschlossen wir uns für einen vom Campingclub empfohlenen Platz in Gottschuchen. Bis wir in diesem Dorf ankamen, hatten wir eine Menge Serpentinen hinter uns und am Wegesrand jede Menge Christrosen gesehen. Jetzt fehlte eigentlich nur noch der Campingplatz zu unserem Glück, aber der war weit und breit nicht zu finden! Wir waren auch etwas irritiert davon, dass uns alle Leute groß anschauten und eine junge Frau schließlich erklärte, sie wisse zwar nicht, wo der Platz sei, aber wo der Besitzer des Platzes wohne, und der werde es wohl wissen. Das war uns nun doch zu mysteriös, und wir fuhren entschlossen zurück – Richtung Jugoslawien. Kurz vor dem Loiblpass sahen wir ein nettes Gasthaus und entschieden uns, hier über Nacht zu bleiben.

Wir richteten uns einigermaßen gemütlich ein, wobei das Wort „gemütlich“ die Lage nicht ganz zutreffend beschreibt: das Zimmer und die Betten waren ungeheuer kalt. Wir wärmten unsere Decken über der Heizung – hätten wir diese Nacht im Auto zugebracht, wären wir wahrscheinlich zu einer Frostbeule erstarrt! Um 19.15 Uhr (!) legten wir uns völlig fertig ins Bett und sagten uns, dass es in Griechenland jetzt bereits 21.15 Uhr ist (Sommerzeit).

Dienstag, 3.4.

Als wir morgens rausschauten, trauten wir unseren Augen nicht: Traugott war total zugefroren! Nachdem wir alle Fenster frei gekratzt hatten, versuchten wir zu starten – ohne Erfolg. Nach weiteren vergeblichen Versuchen beschlossen wir, zunächst einmal zu frühstücken und versuchten es gestärkt auf’s Neue: wieder nichts! Als wir nahe an der Verzweiflung waren – unser Urlaub würde doch wohl nicht schon am zweiten Tag sein jähes Ende finden?! -, lief Claudia die Straße entlang und fand zwei junge Männer, die mitkamen und uns dann rieten, die Batterie austauschen zu lassen! Für solche Ratschläge ist man in einer Gegend, in der weit und breit keine Tankstelle ist, und man auch keine Möglichkeit hätte, dorthin zu gelangen, da das Auto ja nicht fährt, ungeheuer dankbar! Ich sagte, dass ich ein Kabel habe, mit dem man eine andere Batterie anzapfen könne. Daraufhin holten sie ihr Auto, wir „zapften“, und schließlich hatten wir tatsächlich Erfolg.

Mühsam krochen wir den Loiblpass hoch, kauften auf jugoslawischer Seite Benzingutscheine und begaben uns auf den „Autoput“. Streckenweise war die Straße ganz passabel, aber meist war sie so, dass selbst der Deckel unserer Kochkiste vor Vergnügen hüpfte. Die Jugoslawen fuhren ohne Rücksicht auf Verluste – der Schnellere siegt! Die Beschilderung in den Städten war ein Kapitel für sich: wenn wir eine Kreuzung fast überfahren hatten, entdeckten wir plötzlich ein Schild mit einigen Ortsnamen und mussten uns blitzartig entscheiden, wie wir weiterfahren. Dafür waren Parkplatzschilder immer etwa einen halben Kilometer vor dem Parkplatz aufgestellt, sodass wir nie richtig wussten, wann wir rechts ranfahren sollten, zumal wir die Straßenausbuchtungen meist nicht als „Parkplatz“ identifizieren konnten.

Am Straßenrand sahen wir Unmengen blühender Forsythiensträucher, weiter fiel uns auf, dass in Jugoslawien sehr viel Wäsche gewaschen wird. In Zagreb entdeckten wir die ersten blühenden Obstbäume. Von da an begann eine echte Durststrecke: kilometerlange Bauarbeiten direkt neben der Straße. Als wir schließlich am Ende unserer Kräfte waren, ließen wir uns von den Bauarbeiten nicht beirren, machten auf einem Bauplatz eine Rast und aßen mit Genuss unsere Käsebrote – am Abend wollten wir kochen.

Nachdem wir wieder eine Weile gefahren waren, hielt uns plötzlich ein Polizist an, verlangte unsere Pässe und Führerscheine und ließ uns dann weiterfahren. Wir konnten uns nicht erklären, was das zu bedeuten hatte – vielleicht sind wir einfach nur auffällig langsam gefahren im Vergleich zu den anderen Verkehrsteilnehmern! Abends erreichten wir Belgrad und fragten nach dem Campingplatz. Zuerst wurden wir zu einem geschlossenen geschickt, den wir leicht finden konnten. Dank weiterer Tipps kurvten wir durch ganz Belgrad – eine riesige Stadt, die bei Nacht sehr schön wirkt mit ihren vielen Lichtern, aber nicht, wenn man verzweifelt einen Campingplatz sucht! Irgendwann war unsere Geduld am Ende – da hilft die beste Urlaubslaune nichts -, und wir fuhren einfach aus der Stadt raus, in der Hoffnung, irgendwo ein Motel zu finden. Wir kamen auf die Autobahn, und der Mann an der Mautstelle sagte, es gäbe zwei Motels: eines fünfunddreißig km, das andere vierzig km entfernt. Nun gut, in absoluter Stockfinsternis fuhren wir verbissen weiter. Dank der bereits beschriebenen jugoslawischen Beschilderung verpassten wir das erste Motel, beim nächsten Schild wussten wir nicht so recht, wohin es zeigt und kamen in ein Dorf. Nachdem wir gewendet hatten, kam uns eine Kolonne Kriegsfahrzeuge entgegen – es war unheimlich! In unsrer Hilflosigkeit schauten wir uns um und sahen tatsächlich ein dunkles Haus: unser Motel. Am „Empfang“ saß eine schwarz gekleidete Frau bei Kerzenschein, und als Flurbeleuchtung gab es auch nichts anderes als eine Kerze! Es war uns nicht ganz geheuer, aber wir hatten keine Alternative. Da wir das Zimmer von innen nicht abschließen konnten, stellten wir einen Tisch hinter die Tür. Eine gemütliche Übernachtung ist etwas anderes! Zum Essen waren wir zu müde – wir verspeisten nur eine Orange und lagen dann im Bett.

Mittwoch, 11.4.

… Je südlicher wir kamen, desto mehr wurden wir bestaunt. Wir fragten uns, ob es denn so ungewöhnlich ist, dass zwei junge Frauen soweit im Süden unterwegs sind und dann auch noch mit einem VW-Bus, oder ob es gar nicht wir sind, die von Interesse sind, sondern unser orangefarbenes Gefährt, das natürlich auffällt wie ein bunter Hund?!

In der Nähe von Kalamata fanden wir einen herrlichen Campingplatz, direkt am Meer. Eingekauft haben wir wieder auf Griechisch, was uns keine Schwierigkeiten mehr bereitet. Abends wurde nach einem Gläschen Herakles Rommé gespielt – ich habe jedes Mal Rommé-Hand gemacht, Claudia nahm es glücklicherweise relativ gelassen. Ich wurde bereits in meiner Kindheit an dieses Spiel herangeführt. Meine Großmutter kam ab und zu für einige Tage zu Besuch, und sie spielte gerne Rommé, ebenso mein Bruder Thomas, aber um es etwas unterhaltsamer zu gestalten, suchten sie einen dritten Spieler und fanden ihn in mir! Ich bin zehn Jahre jünger als mein Bruder, ich war also noch ein kleines Mädchen. Thomas spielte mit Vorliebe Rommé-Hand, was für meine Großmutter eine große Herausforderung war. Da sie Herzprobleme hatte und die Spannung fast nicht ertragen konnte, wurde vereinbart, dass Thomas die „letzte Runde“ einläuten musste, d.h. er klopfte mit einem Löffel an ein Glas, und da wussten wir beiden anderen, dass wir die letzte Chance hatten, noch ein paar Karten auszulegen. Ich lernte damals zwei Dinge: Rommé-Hand und das Verlieren, bzw. dass es beim Spielen nicht auf das Gewinnen, sondern auf die Freude beim Spiel ankommt!

Dienstag, 17.4.

Morgens erlebten wir eine echte Überraschung: wir hatten Nebel mit einer Sichtweite von etwa fünf Metern! Entsprechend spannend war dann die Fahrt auf unserer Gebirgsstraße, denn entgegenkommende Fahrzeuge sah man erst, wenn sie einem unmittelbar gegenüberstanden. In Ioanina kauften wir die heiß ersehnten „Fladen“, von meinem Bruder als „Grießpfannkuchen“ empfohlen – es waren Blätterteigstückchen mit Schafskäse oder süßer Füllung – lecker! Wir hatten sie bisher nirgendwo entdeckt, obwohl wir immer wieder nach ihnen Ausschau gehalten hatten, weil wir sehr auf sie gespannt waren.

Von Igoumenitsa nahmen wir die Fähre nach Korfu – die Fahrt dauerte zwei Stunden. Wir unterhielten uns mit einem englischen Bildhauer, der bereits seit zwei Jahren auf Korfu lebt. Er erzählte uns von den Leuten dort: Typen wie aus den Romanen von Charles Dickens, von ihrer Armut und ihrer Art zu leben. Er lud uns ein, einmal sein Haus zu besichtigen und wollte abends beim Campingplatz vorbeikommen, um uns eine gute Route für die Insel, die er wie seine Westentasche kenne, aufzuschreiben.

Als wir in Korfu ankamen, regnete es in Strömen – auf dem Campingplatz war es bereits so nass, dass man schon fast ein Boot brauchte, um zu den Toiletten zu gelangen! Unsere neuen Nachbarn sind ein Rentnerehepaar, das schon seit sechs Jahren mit dem eigenen VW-Bus Reisen unternimmt. Sie sind aus Hamburg und sind bereits fast überall herumgekommen. Schon damals also gab es rüstige und unternehmungslustige Senioren! Es ist schon interessant, was man unterwegs für Bekanntschaften macht, mit wem man ins Gespräch kommt,…

Abends spielten wir Rommé – was soll man bei einem so trübsinnigen Wetter anderes machen?! Allerdings genossen wir wieder den gewaltigen Vorteil gegenüber den Zeltern, dass wir gemütlich im Trockenen sitzen konnten, ein Gläschen Wein, eine Petroleumlampe, also doch irgendwie heimelig!